[Review] Sleater-Kinney kehren triumphal zurück
Sleater-Kinney & Pins
18. März 2015 – Berlin, Huxleys Neue Welt
Wer diese e-Tickets erfunden hat, den möchte man spätestens am Eingang des Huxleys am Hermannplatz wieder mal Juckpulver in die Schuhe streuen, für diesen unglaublichen Pragmatismus, der jede Form von Genuss vertreibt. Nicht nur, dass diese Papierfetzen keinen Vergleich bieten zu schönen Hard-Tickets. Sie ermöglichen es außerdem hässlichen Monopolisten auch noch Gebühren zu erheben, für einen Service, den sie nicht erbringen, weil mensch ja sogar selbst drucken darf. Und: Was zur Hölle nützt ein System, bei dem jede_r einzelne Besucher_in auf einer Liste abgehakt werden muss, wo es früher drei Schleusen gab, um sich das Ticket abreißen zu lassen. Die Schlange kurz vor Stage Time von Pins, dem Main Support auf der ersten Europatour von Sleater-Kinney seit der Wiedervereinigung, ist so lang, dass sie bisweilen mit dem Verkehr hinter der Halle ins Gehege kommt.
Die Angst, etwas zu verpassen, ist ja nur Ausdruck der großen Vorfreude, die alle an diesem Abend erfasst hat. Corin Tucker, Carrie Brownstein und Janet Weiss beginnen ihren Euro-Trip in Berlin mit ihrem einzigen Deutschland-Konzert, das hochverlegt werden musste und nun ausverkauft ist. Als wär das nicht schon genug, hat No Cities To Love gekonnt alle Probleme umschifft, die mensch mit einem Reunion-Album haben könnte, indem es voller Ohrwürmer und ohne Ausfälle Bock auf mehr macht. Als sie das letzte Mal in Berlin waren, gab es mit Sicherheit noch nicht diese leidigen Selbstdrucker-Ticket-Schlangen, sodass wir damals auch etwas über Pins hätten lesen können. Aber freuen wir uns stattdessen lieber über das wunderbar gelungene Konzert der Rückkehrerinnen!
Die Leute liegen der Band zu Füßen, die sich wie auch schon auf ihrer US-Tour mit Katie Harkin als Multi-Instrumentalistin an Keyboard und Gitarre verstärkt hat. Wie viel Neues sie in die Setlist streuen, ist bemerkenswert, weil zum einen deutlich wird, wie gut sich das neue Material mit den Klassikern verträgt, und Sleater-Kinney zum anderen zu hören geben, wie gut die Diskografie gealtert ist. Nur eine Anekdote gibt zu denken: Corin Tucker kündigt die erste Zugabe Gimme Love damit an, dass die drei Musikerinnen die Band reaktiviert hätten, weil ihre Forderungen immer noch relevant seien. Das steht ja gar nicht außer Frage, aber als das Publikum dann den Ausruf „Gimme respect“ bejubelt, kann ich mich des Gedankens nicht erwehren: Wenn Respekt nicht das absolut Mindeste ist, was sich die Menschen selbstverständlich entgegenbringen, dann sind wir noch mehr am Arsch, als angenommen. Die Kunst von Sleater-Kinney wiederum ist es, dass diese Erkenntnis nicht dazu führt, den Kopf in den Sand zu stecken. Weitermachen, hilft ja nix. Der Soundtrack ist schon da.
Weitere Reviews und viele Fotos findet Ihr bei musikmussmit.de, pretty-paracetamol.de und I Can Guarantee.